Auen: Wasserspeicher und Hochwasserschutz
«Auen sind wichtig für Menschen, die Natur und die Biodiversität», sagte der Aargauer Regierungsrat und Vorsteher des BVU Stephan Attiger, in seiner Eröffnungsrede am Fest in Sins. Als einzigartige Ökosysteme beherbergen sie unzählige Tier- und Pflanzenarten. «Damit leisten Auen einen wesentlichen Beitrag gegen die leider schwindende Biodiversität», so Attiger. Als Übergang zwischen Land und Gewässer dienen die Ur-Kulturlandschaften zudem als effizienter Hochwasserschutz und Wasserspeicher. Er verspricht: «Es wird weitere Projekte im Kanton Aargau geben.» Denn mit ihren wichtigen Funktionen profitiert neben der Gesellschaft und der Umwelt auch die Wirtschaft vom Hochwasserschutz und der Wasserspeicherung der Auen.
«Wasser ist der Rohstoff der Zukunft», so Matthias Betsche, Geschäftsführer von Pro Natura Aargau. Die zunehmende Trockenheit werde zu einem volkswirtschaftlichen und ökologischen Risiko. «Die Statistiken zeigen auf, dass mit fortschreitendem Klimawandel die Trockenheit zu-, die Wasserführung in den Gewässern hingegen abnimmt.» Gewässer würden im Sommer für die Landwirtschaft kein zuverlässiger Wasserbezugsort mehr sein und gleichzeitig würden Hochwasser häufiger. Trockene und heisse Sommer oder Engpässe im Winter könnten künftig zu grösseren Produktionsschwankungen in der Wasserkraft führen, so Betsche weiter. «Mit der Wiederherstellung von Feuchtgebieten fördern wir die Wasserspeicherkapazität und den Wasserhaushalt in unserer Landschaft in bedeutendem Mass. Die Aue Reussegg trägt ihren Beitrag dazu bei.»
Auen: Lebensraum für 80 Prozent aller Tierarten
Dass die Aue im Reussegger Schachen funktioniert, war bereits nach Abschluss der ersten Etappe klar. Beim Hochwasserereignis im Sommer 2021 zeigte sich die Dynamik der Aue exemplarisch auf: Der 90 000 Quadratmeter grosse, neue Lebensraum wurde überströmt, Böschungen angerissen, bestehendes Totholz unterspült und neues eingebracht. Mit dem Rückgang des Wassers öffneten sich unter anderem ausgedehnte Schlick- und Sandflächen. Bedrohte Tierarten wie Iltis, Flussregenpfeifer und Kiebitz sind bereits nach Sins zurückgekehrt. Auen bieten 80 Prozent aller heimischen Tierarten und 40 Prozent aller in der Schweiz vorkommenden Pflanzenarten Lebensraum. Jede achte Tierart ist auf Auenlebensräume angewiesen.
Auen: Hilfe für gefährdete Amphibien
Mit dem Durchstich am 24. August – wo das erste Mal Wasser aus der Reuss von oben in die Aue strömte – wird die zweite Etappe in Sins nun demnächst abgeschlossen sein. «Wir sind mit unseren Arbeiten etwas im Verzug, weil dieses Frühjahr so nass war», sagt Christian Rechsteiner, BVU-Projektleiter. Die Reuss bringt aber bereits jetzt die volle Dynamik in die Auenlandschaft und sorgt für zusätzliche Strukturen wie Sandbänke, Uferanrisse sowie tiefere und flachere Uferbereiche. Der ganze Inselbereich soll von Wasserbüffeln beweidet werden. Die Tiere sorgen dafür, dass die Flächen offen bleiben, was wärmeliebenden Pflanzen und bodenbrütenden Vögeln entgegenkommt.
In der zweiten Bauetappe wurde beispielsweise der bereits bestehende Altarm mehr als verdoppelt. Dadurch entstand mehr Lebensraum für Arten, die an Stillgewässer gebunden sind. Da sich die Aue in einem Schwerpunktgebiet für die Förderung von Amphibien befindet, schufen die Verantwortlichen weitere Tümpel und Teiche. «Diese haben wir so angelegt, dass sie weniger überflutet werden als die Teiche der ersten Bauetappe. Dies ist wichtig, da insbesondere Pionieramphibien wie der Laubfrosch oder die Gelbbauchunke sich besser in Gewässer entwickeln, die keine Fische enthalten», erklärt Christian Rechsteiner. Fehlen die Fische, werden der Laich und die Kaulquappen weniger gefressen.
Auen: Brutplatz für Uferschwalben
Das anfallende Kies-, Erd- und Sandmaterial wurde innerhalb des Auengebiets an unterschiedlichen Standorten aufgeschüttet. Insgesamt wurden auf einer Fläche von
14 Fussballfeldern 52 000 Kubik Bodenmaterial bewegt. Auf Teilen der neuen Flächen werden gemäss Pro Natura Pfeifengrasflächen angelegt, welche der Sibirischen Schwertlilie einen neuen Lebensraum verschaffen. Entlang des Wanderweges soll zusätzlich ein grosser Sandhügel aufgeschichtet werden, damit Uferschwalben ihre Brutröhren hineingraben können.
Die Pflege der Auen liegt bei ortsansässigen Landwirtschaftsbetrieben. Diese mähen oder beweiden die dafür vorgesehenen Flächen, damit sich artenreiche und vielfältige Pflanzengesellschaften sowie offene Teiche und Tümpel etablieren können. Durch unterschiedliche Unterhaltsmassnahmen wird die auentypische Habitatvielfalt geschaffen und gefördert. Es ist geplant, lokal gewonnenes Saatgut der Holosem GmbH anzusäen, damit artenreiche Blumenwiesen gedeihen. Um invasive Neophyten von Anfang an konsequent zu bekämpfen, durchkämmen Mitglieder des Natur- und Vogelschutzvereins Oberfreiamt das Gebiet regelmässig und entfernen diese.