Die Kiesgrube ist auch wertvoiller Lebensraum fèr Tiere und Pflanzen

In wassergefüllten Mulden leben die geschützten Kreuzkröten

Gleich zu Beginn der Expedition in den Lebensraum Kiesgrube Buchselhalde in Tegerfelden machte Beat Haller, Leiter Natur und Boden des Fachverbandes der Schweizerischen Kies­ und Betonindustrie, auf Gespinste in der Wildhecke am Strassenrand aufmerksam. Es handelt sich um die PfaffenhütchenGespinstmotte, ein Nachfalter. Mit ihrem Gespinst schützt sie die kleinen Raupen, damit sie nicht von den Vögeln gefressen werden. Manchmal wird eine Pflanze komplett leer gefressen, doch innert ein paar Wochen erholt sie sich wieder und bildet neue Blätter.

Verschiedene Wildbienenhotels sind in der Hecke platziert. In der Schweiz gibt es etwa 500 Arten Wildbienen. Die Hummeln gehören auch dazu. Am Ende der Wildhecke hängt ein HornissenNistkasten mit senkrechten ovalen Öffnungen in einer Eiche. Die Hornissen haben eine wertvolle Funktion im Ökosystem und jagen beispielsweise Wespen. Sie sind sehr friedlich, und ohne Grund greifen sie nicht an. Auch mit Totholzstrukturen wird versucht, zusätzliche Angebote für Tiere zu machen. So wurde an einem alten Lärchenstamm ein Fledermauskasten aufgehängt.

Mulden für die Kreuzkröten

Höhepunkt der Führung ist der Lebensraum der Kreuzkröten. Es sind wassergefüllte Mulden auf vegetationsarmen Rohböden. Es ist eine beinahe unübersichtliche Landschaft von 30 bis 40 kleinen Weihern, zum Teil mit oder ohne Pflanzen. Sie entstehen einerseits zufällig beim Auffüllen der Kiesgrube und füllen sich mit Wasser. Da Kreuzkröten dynamische Gewässer brauchen, werden aber auch gezielt neue Mulden eingebaut. Die Kreuzkröten sind in den vegetationsarmen Mulden und in verschiedenen Stadien anzutreffen: von Laichschnüren über Kaulquappen bis zu den ersten winzigen Kröten. Die Kreuzkröten gehören zu den sehr seltenen Amphibien und sind gesetzlich geschützt. Die Laichgebiete von nationaler Bedeutung stehen unter zusätzlichem Schutz. Diese Lebensräume sind durch die Eingriffe des Menschen beinahe verschwunden.

Es dauert nur ca. 4 Wochen vom Ei bis zur kleinen Kröte, die 5 bis 7 cm gross wird. Sobald sie fertig entwickelt sind, verlassen sie die Gewässer und gehen aufs Land. Sie gehen, denn hüpfen können sie nicht. Seitens Kiesgrubenbetreiberin wird auf die Kreuzkröten Rücksicht genommen, weshalb es auch wichtig ist, dass der Maschinist Verständnis für diese Arten haben muss.

Verschiedene Stadien der Kreuzkröte: Laichschnüre, Kaulquappen, winzige Kreuzkröte (von links).

Am Hang zur Surb hin weiden Schafe. Sie verhindern das Zuwachsen der Flä­ che mit Bäumen und Sträuchern. In unmittelbarer Umgebung siedelte sich vor zwei Jahren die Quendelschnecke an. Es ist eine sehr seltene Schneckenart und ihr Gehäuse wird nur ca. 6 mm hoch und bis 9 mm breit. Weshalb sie hier vorkommt, ist nicht bekannt. Auch die etwas grössere Heideschnecke ist anzutreffen.

In einem weiteren Teich sind Wasserfrösche, auch Grünfrösche genannt, zu sehen. Sie brauchen Gewässer mit Wasserpflanzen, um sich beispielsweise vor dem Graureiher zu verstecken.

Wasserfrösche und Kreuzkröten leben in unterschiedlichen Gewässern, da sie unterschiedliche Lebensräume brauchen.

Ganz unterschiedliche Pflanzen

An verschiedenen Stellen wächst die Robinie. Sie ist ein nordamerikanischer Baum mit sehr hartem Holz und bringt Luftstickstoff in den Boden. Dadurch werden Magerwiesen gedüngt, was unerwünscht ist, da sich daraus eine Fettwiese mit weniger Blumen und mehr Gras entwickeln kann. Die Rossminze ist eine typische Pflanze für einen Trockenstandort. Bei grosser Hitze schliesst sie ihre Blätter. Die Binse ist eine Zeigerpflanze für Wasser. Früher wurde sie im Rebbau zum Anbinden der Rebstöcke gebraucht.

Seit anfangs Jahr wird die Kiesgrube von Döttingen her mit sauberem Aushubmaterial aufgefüllt. Die Parzellen sind privat und gehören Landwirten. Die Firma Birchmeier hat das Recht, Kies etc. abzubauen und ist für die Rekultivierung zuständig. Nach Abschluss wird ein Grossteil der Grube den Landwirten zurückgegeben. Es gehört dazu, dass ursprüngliche Vorhaben wegen ge­ ändertem Zeitgeist wieder überarbeitet werden müssen. Das erfordert lange Planungen und auch kantonale Vorgaben müssen berücksichtigt werden. Anstelle der gemäss Baugesetz des Kantons Aargau vorgesehenen 15 Prozent Ökofläche beträgt diese in der Buchselhalde fast 30 Prozent.

Was geschieht nach zehn Jahren?

Was geschieht mit den Gewässern bei der Rekultivierung? Sie werden verschwinden. Doch vorher wird im Herbst ein Graben angelegt, um das Wasser langsam ablaufen zu lassen. Dadurch werden die Tiere animiert, das Gewässer zu verlassen und ein neues zu suchen. Eigentlich wäre die Rekultivierung in zwei Jahren abgeschlossen gewesen. Bereits jetzt wird ein Teil der Population andernorts angesiedelt. Zuständig ist dafür der Kanton Aargau. Auch dank Anstoss von Umweltverbänden verpflichtete sich die Firma Birchmeier, während 10 Jahren nach Abschluss der Rekultivierung das Gebiet mit vielen kleinen Teichen für die Kreuzkröten stehen und unterhalten zu lassen. Eine Frage bleibt: Wer schaut nach den 10 Jahren für die Artenvielfalt? Im Moment ist sie unbeantwortet.

Doch bis dahin ist klar, dass die beste ökologische Begleitung dann sichergestellt ist, wenn die Leute vor Ort sensibilisiert sind und gute Kontakte unter allen Beteiligten bestehen.

Beat Haller vermochte einiges von seinem umfangreichen Wissen und seiner Begeisterung für naturnahe Lebensräume weiterzugeben. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass sich der Blick hinter die Wildhecke lohnte.

Isabelle Panchaud
Vorstand WWF Aargau

 

 

 

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