Klingnauer Stausee – Ein Naturschutzgebiet steht vor Veränderungen

WWF-Magazin Regional 1/17

Am Klingnauer Stausee tut sich einiges. Auch wenn draussen in der Natur noch nicht viel davon zu sehen ist, wird in den Büros fleissig geplant.

Der Klingnauer Stausee ist eines von zehn Wasser- und Zugvogelreservaten von internationaler Bedeutung in der Schweiz und ist zusätzlich durch das kantonale Dekret über den Schutz des Klingnauer Stausees und als Auengebiet von nationaler Bedeutung geschützt. In diesem wertvollen Gebiet zeichnen sich mehrere Veränderungen ab: Das Kraftwerk Klingnau arbeitet an einer neuen Konzession für den Weiterbetrieb, der Kanton will im westlichen Teil des Sees einen Seitenarm ausbaggern und BirdLife wird ein ganzjährig betriebenes Naturzentrum realisieren. Grund ge­nug, diese Pläne genauer anzuschauen.

Neukonzession Kraftwerk Klingnau

Alle Kraftwerke im Aargau müssen für ihren Betrieb eine Bewilligung vom Kanton besitzen, welche in einem sogenannten Konzessionsvertrag geregelt ist. Diese Verträge sind befristet. Jener des Kraftwerks Klingnau lief nach 80 Jahren Laufzeit am 7. Juli 2015 ab. Deshalb muss das Konsortium von Axpo und AEW – welche das Kraftwerk Klingnau 2015 von der früheren Besitzerin Aarewerke AG übernahm – eine neue Konzession beantragen. Damit diese erteilt werden kann, müssen Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen zugunsten der Natur geleistet werden.

Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen ungenügend

Aus Sicht der Umweltverbände sind die von Axpo und AEW vorgeschlagenen Massnahmen ungenügend. Sie bemängeln, dass der Nachweis einer ausgeglichenen Bilanz zwischen den Beeinträchtigungen durch das Kraftwerk und den Aufwertungen zugunsten der Natur fehlt und ein falscher Referenzzustand angenommen wurde. Zudem wurde kritisiert, dass durch die Kraftwerksbesitzenden keine Massnahmen zur Verhinderung oder Reduktion der Verlandung des Stausees durchgeführt werden (siehe unten).

Wann mit der öffentlichen Auflage des Antrags auf eine neue Konzession gerechnet werden kann, ist momentan offen. Der WWF hofft auf eine baldige Fortführung des Prozesses und eine Umsetzung zugunsten der Umwelt.

Verlandung verhindern

Wie jeder Stausee verlandet auch der Klingnauer Stausee. Dadurch entstanden wertvolle Gebiete mit seichtem Wasser, die beispielsweise Gründel­enten und Watvögeln zum Überwintern und als Rastplatz auf dem Weg in den Süden dienen. Würde man nichts unternehmen, würde aus dem Flachwasser des Stausees aber schrittweise eine Auenlandschaft mit Sträuchern und Bäumen und schlussendlich ein Wald. Der einzigartige Lebensraum des Wasser- und Zugvogelreservats am Klingnauer Stausee ginge verloren.

Ausbaggerung eines Seitenarms

Der Kanton hat ein Projekt ausgearbeitet, um den See teilweise auszubaggern. Dadurch sollen die Flachwasserzonen und Schlickflächen erhalten bleiben. Jedoch will er nur jenes Drittel des Schlamms, der stark mit Schadstoffen belastet ist, fachgerecht entsorgen. Der Rest soll direkt in den Rhein geleitet werden. Der Fischereiverband befürchtet, dass auch dieser Teil der Sedimente mit Schadstoffen belastet ist und wehrt sich deshalb gegen die Einleitung in den Rhein. Aber auch schadstofffreie Sedimente wären nicht unproblematisch. Der feine Schlamm kann sich im Rhein ablagern und Kiesbänke am Flussgrund verstopfen, wodurch die Vielfalt der Lebensräume abnähme. Aufgrund der Kritik des Fischereiverbands präsentierte der Kanton Ende 2016 eine Projektverbesserung, nämlich die Zugabe von mehreren 1000 Kubikmeter Kies in den Rhein. An der Einleitung der Feinsedimente in den Rhein wird jedoch festgehalten. Damit bleibt das eigentliche Problem bestehen.

Höhere Kosten tragbar

Der Fischereiverband verlangt weiterhin, dass das ausgebaggerte Sediment vollständig entsorgt wird. Das würde gemäss Aussagen des Kantons zu Mehrkosten von 1,3 Millionen Franken gegenüber den Kosten des aktuellen Projekts von 2,4 Millionen Franken führen. Aus Sicht des WWF Aargau sind diese Mehrkosten keinen Grund, ein wichtiges Projekt zugunsten des Wasser- und Zugvogelreservats am Klingnauer Stausee nicht umzusetzen. Insbesondere, da sich auch Axpo und AEW an den Kosten beteiligten müssten (siehe oben).


Bau Kraftwerk: 1931 – 1935
Mittlere Jahresproduktion: ca. 220 GWh
Seefläche: 1.5 km2
Länge: ca. 3 km
maximale Breite: 450 m
Mittlerer Jahresabfluss der Aare: 1560 m3/s
Vögel: über 310 verschiedenen Vogelarten, über 60 davon stehen auf der Roten Liste.
Säugetiere: Biber, Iltis, Baummarder, 7 Fledermausarten und viele weitere
Reptilien: Zauneidechse, Mauereidechse, Ringelnatter, Blindschleiche
Amphibien: 10 Arten darunter der Kammmolch und die Kreuzkröte
Fische: 27 Arten darunter Bitterling, Nase und Schneider
Muscheln: Sechs Arten, davon drei Flussmuschelarten
Weitere Informationen: www.klingnauerstausee.ch


Tonja Zürcher, Geschäftsleiterin WWF Aargau 

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